Berlin – Der Klang der 1990er Jahre hallt noch immer in der deutschen Hauptstadt wider. Wie die Technomusik bleibt das Faxgerät im Trend. Laut den neuesten Zahlen des deutschen Digitalverbandes verwenden vier von fünf Unternehmen innerhalb der größten Volkswirtschaft Europas nach wie vor Faxgeräte, und jeder dritte davon tut dies häufig oder sehr häufig.
Obwohl Deutschlands Ruf für Effizienz regelmäßig durch langsame Internetverbindungen und eine Abhängigkeit von Papier und Stempeln untergraben wird, stehen Faxgeräte im Widerspruch zu einer Welt, die künstliche Intelligenz umarmt.
Doch der Fortschritt ist auf dem Vormarsch im Bundestag – dem deutschen Parlament. Die Abgeordneten wurden vom Haushaltsausschuss angewiesen, ihre vertrauenswürdigen Faxgeräte bis Ende Juni abzuschalten und stattdessen auf E-Mail für offizielle Kommunikation zu setzen.
Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der pro-business Free Democrats, zeigt auf eine Reihe von Faxgeräten, während er durch den Bundestag geht. Er bemerkt, dass der öffentliche Sektor besonders gerne faxt und dass der Eintritt in das Parlament wie eine Zeitreise ist.
“Als ich 2017 gewählt wurde, ging ich in mein Büro und dort stand ein Faxgerät. Ich dachte, es sei ein Fehler”, sagt Herbst mit großen Augen. “Ich habe den Verwalter des Bundestages angerufen und gefragt, warum hast du mir ein Faxgerät geschickt? Ich brauche das nicht.” Er war entsetzt über die Antwort: “Oh ja, du brauchst es. Wenn du eine Anfrage an die Regierung senden möchtest, benutze das Faxgerät!”
Herbst hat die Initiative zur Abschaffung der Faxgeräte im Parlament angeführt. Er konnte den Haushaltsausschuss überzeugen, dass es eine lohnende Kostenreduzierung sein würde. Aber er sagt, dass das Abschalten der Geräte nur die halbe Schlacht ist.
“Wenn man eine Nachricht mit einem Faxgerät sendet, unterschreibt man sie und dann ist sie gültig”, stellt Herbst fest. “Das ist der Unterschied zu E-Mails, die in unserem Rechtssystem nicht den gleichen Status haben.” Als Mitglied der deutschen Regierungskoalition arbeitet Herbst an Gesetzen, um E-Mails zu einer rechtlich bindenden Kommunikationsform zu machen.
Herbst sagt, dass die privilegierte rechtliche Stellung des Faxgerätes in Deutschland auf weit verbreitetes Misstrauen gegenüber allem zurückzuführen ist, was nicht mit Stift und Tinte auf echtem Papier geschrieben ist. Das Ergebnis sei eine übermäßige Bürokratie.
“Wir haben in Deutschland viele Verfahren, bei denen Papiere ausgedruckt werden müssen oder man eine PDF-Datei benötigt – und am Ende wird sie ausgedruckt, was keinen Sinn ergibt”, sagt Herbst und schüttelt den Kopf.
Auch die deutsche Armee ist kürzlich wegen ihrer Abhängigkeit vom Faxgerät kritisiert worden.
Im März warnte der Internationale Währungsfonds, dass Deutschland zur Steigerung des Wirtschaftswachstums Bürokratie abbauen und endlich eine ordentliche Digitalisierung vorantreiben müsse.
Thorsten Alsleben, der das neoliberale Think-Tank New Social Market Economy Initiative in Berlin leitet, stimmt dem zu. “58 Prozent der von uns befragten Unternehmen sagen, dass sie aufgrund der Bürokratie nicht in Deutschland investieren wollen”, sagt Alsleben. “Das ist schlimmer als die Besteuerung, schlimmer als hohe Energiepreise, schlimmer als alles andere.”
Als Teil einer Kampagne zur Forderung nach Bürokratieabbau hat Alsleben “das deutscheste aller deutschen Museen” eröffnet, das Bürokratie-Museum.
Zu den ausgestellten Objekten gehört ein zehn Fuß hoher Stapel von Akten, der den Papierkram repräsentiert, der für die Installation einer Windturbine benötigt wird. Ein anderes Exponat ist ein Foto eines Briefkastens mit dem Hinweis: “Bitte legen Sie hier Online-Formulare ab.”
Alsleben sagt, diese Besessenheit von Bürokratie sei das Ergebnis einer risikoscheuen Denkweise unter den Beamten in Deutschland.
“Behördenvertreter, nicht die Politiker, sondern die Beamten, sagen: ‘Nein, nein, nein. Wenn wir diese Bürokratie abbauen, könnten das und das passieren und das ist zu gefährlich'”, bedauert Alsleben. “Und dann haben alle Angst und sagen, okay, dann können wir es nicht reduzieren.”
Für einige bedeutet Büroarbeit jedoch Geschäft. Marcus Schulze betreibt einen Büroausstatter, der einen umfassenden Faxreparatur- und Wartungsservice anbietet.
Vor 30 Jahren übernahm er das Geschäft von seinem Vater und sagt, wenn es um Faxgeräte geht, hat sich nichts geändert. “Zu unseren Kunden gehören Krankenhäuser, Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Gerichtssäle – Sie nennen es!” sagt Schulze.
Er präsentiert stolz seine umfangreiche Sammlung von alten Schreibmaschinen, Schreibtischtelefonen, Disketten und Faxgeräten, die nun die Regale seines eigenen Büros schmücken. Sie sind nicht nur Dekoration; er vermietet ältere Faxmodelle oft an Filmproduktionsunternehmen, die in den frühen 1990er Jahren spielende Filme drehen.
Auch neuere Modelle sind gefragt, aber nicht für fiktive Büros. “Im letzten Jahr erhielten wir eine Bestellung von der Berliner Polizei für 60 brandneue Faxgeräte.”
Schulze sagt, dass viele Kunden glauben, dass Faxgeräte sicherer sind als E-Mails. Eine ausgeprägte Sorge um den Datenschutz in Deutschland wird oft als Grund genannt, warum viele Deutsche immer noch lieber in bar als mit Kreditkarte bezahlen.
Er sagt, das einzige andere Land, das mit Deutschland um seine Liebe zur Analogtechnik konkurriert, ist die andere große Wirtschaftsmacht Japan – deren Faxhersteller immer noch die besten sind.
Zurück im Bundestag überprüft Abgeordneter Herbst das Gerät des Ausschusses für Auswärtiges, bevor er etwas sendet, um zu sehen, ob es noch angeschlossen ist. Als es anfängt, zu piepen und zu zischen, seufzt er und beobachtet, wie das Papier durch das Gerät läuft.
Mit einem Grinsen sagt Herbst, dass das letzte Fax, das er geschickt hat, der Antrag war, die Faxgeräte im Parlament abzuschaffen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ):
1. Was sind die neuesten Zahlen in Bezug auf die Verwendung von Faxgeräten in deutschen Unternehmen?
Laut dem deutschen Digitalverband verwenden vier von fünf Unternehmen in Deutschland immer noch Faxgeräte, und jeder dritte davon tut dies häufig oder sehr häufig.
2. Warum stehen Faxgeräte im Widerspruch zur fortschreitenden künstlichen Intelligenz (KI)?
Faxgeräte gelten als veraltet und stehen im Gegensatz zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich der digitalen Kommunikation und KI.
3. Was plant der deutsche Bundestag in Bezug auf Faxgeräte?
Der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages hat die Abgeordneten angewiesen, ihre Faxgeräte bis Ende Juni abzuschalten und stattdessen auf E-Mails für offizielle Kommunikation umzusteigen.
4. Warum werden Faxgeräte im deutschen Rechtssystem bevorzugt?
Im deutschen Rechtssystem haben Faxnachrichten einen besonderen rechtlichen Status, da sie unterschrieben und damit als gültig angesehen werden. E-Mails haben in diesem Kontext nicht den gleichen Status.
5. Was sind die Gründe für die übermäßige Bürokratie in Deutschland?
Die übermäßige Bürokratie in Deutschland wird häufig auf das weit verbreitete Missvertrauen gegenüber digitalen Technologien und der Präferenz für physische Dokumente zurückgeführt.
6. Worin besteht die Initiative zur Forderung nach Bürokratieabbau in Deutschland?
Die Initiative zur Forderung nach Bürokratieabbau setzt sich dafür ein, die Bürokratie in Deutschland zu reduzieren, um das Wirtschaftswachstum zu steigern.
7. Wie wird die Abhängigkeit vom Faxgerät in der deutschen Armee kritisiert?
Die deutsche Armee wird kritisiert, weil sie immer noch stark auf Faxgeräte angewiesen ist, anstatt moderne digitale Kommunikationsmittel zu nutzen.
8. Was ist das Bürokratie-Museum?
Das Bürokratie-Museum ist ein Museum, das von der Initiative zur Forderung nach Bürokratieabbau eröffnet wurde. Es zeigt verschiedene Objekte, die die übermäßige Bürokratie in Deutschland repräsentieren.
9. Gibt es immer noch eine Nachfrage nach Faxgeräten?
Ja, laut Marcus Schulze, einem Büroausstatter in Deutschland, gibt es immer noch eine Nachfrage nach Faxgeräten, insbesondere in bestimmten Branchen wie Krankenhäusern, Anwaltskanzleien und Gerichtssälen.
10. Warum glauben viele Deutsche, dass Faxgeräte sicherer sind als E-Mails?
Viele Deutsche haben Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und halten Faxgeräte für sicherer als E-Mails. Dies kann einer der Gründe sein, warum Faxgeräte in Deutschland immer noch weit verbreitet sind.
Related Links:
– deutscher Digitalverband
– Deutscher Bundestag
– Internationaler Währungsfonds
– Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
– Bürokratie-Museum